Die Arroganz der Bildungselite und die Faschos der AfD

Wut, Algorithmen und leere Kühlschränke: Warum die AfD nur das Symptom ist

Wer die AfD als „Alternative“ bezeichnet, verkennt ihre wahre Natur. Diese Partei hat sich mit Figuren wie Björn Höcke längst als Sammelbecken für Rechtsextremismus und Geschichtsverfälschung entlarvt. Sie ist kein „geringeres Übel“, sondern eine reale Gefahr für unsere Demokratie. Der Wahlzettel bot und bietet genug demokratische Optionen, um nicht auf einen blassen Abklatsch der NSDAP zurückgreifen zu müssen.
Doch der eigentliche Kern des Problems liegt tiefer. Er hat zwei wesentliche Ursachen: Zum einen liegt er in einer Wohlstandsgesellschaft, die verlernt hat, Politik als eine Aufgabe für das Gemeinwohl zu begreifen, und stattdessen nur noch persönliche Nachteile zählt. Zum anderen – und das ist der entscheidende Punkt – erleben wir den Sieg der sozialen Medien über den klassischen Journalismus.

Die perfekte Partei für eine algorithmische Welt

Politische Bildung findet heute für viele Menschen durch Algorithmen statt, die auf Wut, Empörung und radikale Vereinfachung optimiert sind. Die AfD ist das perfekte Produkt für diese neue Medienwelt: Sie nimmt die komplexe Realität, lügt das Komplizierte weg und präsentiert eine simple „Lösung“, die fast immer auf Hass und Ausgrenzung hinausläuft.
Dagegen haben es die demokratischen Parteien schwer. Sie sind der Wahrheit und der Komplexität der Realität verpflichtet. Sie können und wollen die Fakten nicht einfach ausblenden. Doch wenn man Realisten gegen Realitätsverweigerer auf eine Bühne stellt, gewinnt vor einem uninformierten Publikum oft derjenige, der die einfachste Geschichte erzählt – egal, wie verlogen sie ist.

Erreicht Aufklärung die Richtigen?

An diesem Punkt stellt sich eine unangenehme Frage: Funktioniert die „Entmystifizierung“ der AfD überhaupt, wenn ein großer Teil der Gesellschaft aufgrund seiner Lebens- und Bildungssituation gar nicht in der Lage ist, die perfide Strategie dahinter zu durchschauen?
Man kann davon ausgehen, dass die Zuschauer von Polit-Talkshows im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht zu einem Viertel rechtsextrem wählen. Fährt man aber in die Hochburgen von Bürgergeld- und Niedriglohnempfängern – sei es in Pirmasens, Mannheim oder Chemnitz – und fragt dort die Menschen, die ihre Informationen ausschließlich über TikTok, Facebook und Telegram beziehen, wird das Ergebnis ein dramatisch anderes sein.
Dazu kommt eine grundlegende demokratische Überlegung: Warum sollte man Antidemokraten eine zusätzliche Bühne bieten? Wir reden hier nicht über politische Meinungsverschiedenheiten wie „Ökosteuer rauf oder runter?“, „Russisches Gas ja oder nein?“ oder „Impfpflicht gut oder böse?“. Wir reden darüber, ob Faschisten unwidersprochen faschistische Dinge sagen und die Grundfesten unserer Demokratie untergraben dürfen.

Die Arroganz der eigenen Bubble

Hin und wieder treffe ich Menschen, denen das Leben viele Steine in den Weg gelegt hat und deren höchster Schulabschluss oft die Realschule ist. Als ich manche nach dem zweiten Corona-Lockdown wiedertraf, war ich schockiert: Kaum jemand von diesen Menschen kannte Christian Drosten. In meiner eigenen akademisch oder zumindest gut gebildet geprägten „Bubble“ war das unvorstellbar.
Es geht hier nicht darum, Menschen als „zu dumm“ abzustempeln – das wäre eine bösartige und falsche Interpretation. Mangelnde Bildung hat nichts mit mangelnder Intelligenz zu tun. Aber wir müssen die Realität anerkennen: In vielen Stadtteilen wachsen Kinder auf, deren Eltern sich selbst längst aufgegeben haben und kein Interesse an der Bildung ihrer Kinder zeigen. Das ist keine Schuldzuweisung, sondern eine Beschreibung der Zustände.

Wenn der Kühlschrank wichtiger ist als die Weltpolitik

Und ganz ehrlich: Ich nehme es diesen Menschen nicht einmal übel. Wer zwei Stunden bei der Tafel ansteht und trotzdem eine Woche vor Monatsende kein Geld mehr hat, wer bei jeder Klassenfahrt oder Schulveranstaltung die Hand heben und sagen muss, dass er es sich nicht leisten kann, der hat Probleme, die sich viele von uns nicht einmal vorstellen können.
Diese Menschen denken nicht darüber nach, ob sie sich nach 12 Monaten das neue iPhone Pro Max Ultra Plus gönnen, sondern ob sie die 50 Kilometer zum dringend benötigten Facharzt fahren können, weil das Benzingeld fehlt. Wer einen solchen Alltag hat, schaltet abends lieber RTL2 ein, um dem Elend zu entfliehen, anstatt sich auch noch damit zu befassen, welche Länder sich gerade mit ballistischen Raketen bedrohen.
Genau hier liegt ein weiterer Teil des Problems: die Arroganz einer gebildeten Elite, die die Lebensrealität dieser Menschen nicht wahrnimmt oder wahrnehmen will. Solange wir die Symptome bekämpfen, aber die tiefen sozialen und medialen Ursachen ignorieren, werden wir den Kampf für die Demokratie nicht gewinnen.